Staatsminister Bernd Neumann vergibt Dreiviertelmillion für Plagiat im Internet

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von Guttenberg als Vorbild für Merkel-Minister?

Von Peter Kleinert

Als schallende Ohrfeige müssen die weltweit 1.400 Mitglieder der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft die Pressemitteilung von Kulturstaatsminister Bernd Neumann, CDU, empfunden haben, mit der am 10. Mai der Aufbau eines virtuellen Museums "Künste im Exil" angekündigt wurde. Man kann es auch als Plagiat im Sinne seines bayerischen Parteifreundes von Guttenberg sehen, der nur den wissenschaftlichen Dienst für seine Ziele eingespannt hat. Der Staatsminister vergeudet dagegen gleich eine Dreiviertelmillion Steuergelder, noch dazu an der falschen Stelle.

berndneumann

Kann Staatsminister Bernd

Neumann googeln?

Quelle: www.Bundesregierung.de

 

 

Eine Art virtuelles Museum existiert längst: www.exil-zentrum.de wurde ehrenamtlich initiiert. Seine wichtigsten Säulen sind www.exil-archiv.de mit etwa 1.600 Biographien einst und aktuell verfolgter Künstler und Intellektueller sowie die pädagogische Website www.exil-club.de, die 2001 mit 2 Millionen DM von der damaligen Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn gefördert wurde. Einer Sozialdemokratin.

SPD-Politiker waren Gegner der NS-Diktatur. Ihr Parteivorstand floh nach Prag ins Exil. Vielleicht erinnerte sich Frau Bulmahn dieser Tatsache, als sie Fördermittel für das virtuelle Zentrum vergab. www.exil-club.de wurde mit Hilfe von Schulen ans Netz ins Web gestellt, gelobt von Pädagogen und Schulen, genutzt von Jugendlichen im In- und Ausland, die zu Mitmachaktionen angehalten wurden und an Internetwettbewerben teilnehmen konnten. Die Fördermittel sind längst aufgebraucht, Anträge – auch ans Haus von Bernd Neumann – abschlägig beschieden. Schulen ans Netz steht (vermutlich) vor dem Aus.

gutenberg

Vorbild für Herrn Minister Neumann:

Plagiator von und zu Guttenberg

NRhZ-Archiv

Kann Minister Neumann googeln? Entweder weiß der 70jährige Kulturstaatsstaatsminister nicht, wie man googelt: Sonst hätte ihn ein Klick zum virtuellen Zentrum der verfolgten Künste geführt, erreichbar seit über einem Jahrzehnt im weltweiten Web. Oder er hat die falschen Mitarbeiter, die ihm diese Information vorenthalten haben, weil der alte Herr das neue Medium nicht zu nutzen versteht. Dabei ist er ja im Bundeskanzleramt angesiedelt. Dort sollte es genügend internetfähige Beamte geben.

Pikant daran: Bei Neumanns-Chefin gingen im Vorjahr Briefe der Nobelpreisträgerin Herta Müller und der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft ein, unterschrieben vom ELS-Vorsitzenden Hajo Jahn und Günter Kunert, Präsident des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland ( "Exil-PEN"), unterstützt u.a. von Udo Lindenberg, Günther Uecker, Iris Berben, Berlinale-Chef Dieter Kosslick, dem Philosophen Richard David Precht sowie den Journalisten Ulrich Wickert und Fritz Pleitgen.

Frau Merkel dürfte diese Briefe, die auch die Ministerpräsidenten der Länder erhalten haben, an ihren Kulturstaatsminister weitergereicht haben. Denn die Briefschreiber hatten darin eine institutionelle Förderung des „Zentrums für verfolgte Künste" gefordert, wie es das Zentrum gegen Vertreibung mit 2 Mio Euro jährlich bekommt. Bei allem Unrecht, das den Vertriebenen widerfahren ist – die meisten hatten Heil Hitler geschrien oder stillgehalten, solange gesiegt wurde. Doch sie gelten als CDU-Wähler und haben mit der Bundestagsabgeordneten und Verbandschefin Erika Steinbach eine lautstarke Lobbyistin.

Das "Zentrum für verfolgte Künste" verfügt zwar über eine ziemlich einmalige Bildersammlung verfolgter Maler, eine Exilliteratursammlung, Originalzeichnungen von Else Lasker-Schüler, die 1938 als "entartet" aus der Berliner Nationalgalerie beschlagnahmt worden waren. Nur über eine starke Lobby verfügen die Verfolgten und Exilanten bis heute nicht.

Vielleicht wollte sich Bernd Neumann auf einem Felde profilieren, auf dem nicht nur er, sondern die bundesdeutsche Politik Feigenblätter und Stelen installiert hat: Eine zwar vorbildhafte, jedoch analoge Erinnerungskultur, versteinert in Museen, verstaubt in Archiven, erstarrt in Gedenkritualen. Im Zeitalter der "Piraten" sehen manche etablierten Parteien ziemlich vorgestrig aus – vielleicht auch deshalb glaubte der Herr Kulturstaatsminister ein Zeichen setzen zu müssen. Selbst die Medien stiegen unkritisch auf seinen teuren PR-Gag ein. Fast unisono titelten Berliner Morgenpost, Focus oder Welt-online: Neumann startet virtuelles Museum "Künste im Exil". Ihr Erinnerungsvermögen scheint schwach zu sein. Ein Blick ins eigene Archiv hätte sich gelohnt.

Ein Journalist als Museumsgründer?

Dieselben Zeitungen hatten noch im April 2008 euphorisch geschrieben: „Auf nach Solingen – warum gibt es so etwas nicht in Berlin, München oder Frankfurt?" Anlass war die Übergabe der mit 300.000 Euro von der Lasker-Schüler-Stiftung angekauften Sammlung des Hamburger Journalisten Jürgen Serke, der mit seiner STERN-Serie und dem gleichnamigen Buch "Die verbrannten Dichter" zum Vorbild vieler Kollegen geworden war. Die feierten zusammen mit dem damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler ebenso stark wie falsch das "Museum Serke"; die Schlagzeilen lauteten: „Das Haus der vergessenen Zeugen" (FAZ), „Gute Literatur kann tödlich sein" (SZ), „Als die Vertreibung begann" (WELT).

Niemand hinterfragte, woher das Geld gekommen war: Aus dem Stiftungsvermögen (! – das ist einmalig in Deutschland), und nicht aus den Zinsen, wie es vorgeschrieben ist; staatliche Förderung war ganz ausgeblieben. Kein Cent auch von Bernd Neumann, der bereits seit dem 22. November 2005 als Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien amtiert, ausgestattet mit erheblichen Etatmitteln. Dass er nicht zur Übergabe der Exilliteratursammlung gekommen war, versteht sich. Was ist schon Solingen, die Geburtsstadt von Adolf Eichmann, gegen das Berlin der Reichs- und Bundeskanzler?

Erstaunlich, dass sich keiner der sonst "so kritischen" Journalisten dafür interessierte, dass das Ausstellungsgebäude bereits ein Museum der Stadt Solingen war, die unter Finanzkontrolle des Regierungspräsidenten in Düsseldorf steht. Bis heute fremdelt Oberbürgermeister Norbert Feith mit dem ungeliebten, weltweit einmaligen "Zentrum für verfolgte Künste". Auch er gehört der CDU an. Könnte es sein, dass auch Parteifreund Neumann Probleme mit einer Art Museum hat, das diejenigen in den Focus rückt, die nie geehrt wurden von der Bundesrepublik Deutschland? Die Dichter und Künstler, die als widerständige Gegner und Opfer erst von den Nazis, dann von den DDR-Machthabern verfolgt wurden? Unbequeme Geister wie heute Ai Weiwei in China.

Ab in den Staub der Archive

Während die deutsche Erinnerungskultur mehr und mehr zu einer Vergessenskultur tendiert, hat die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft Signale für eine zeitgemäße, pädagogische Erinnerungsform gesetzt. In Israel, Polen, Tschechien, der Schweiz, Italien und jüngst in Österreich – Länder, die mit der unheiligen Vergangenheit Deutschlands eng verknüpft sind. Überall war die in Wuppertal ansässige Vereinigung die erste deutsche Literaturgesellschaft, die ein Programm vorstellte, das von der Vergangenheit ins Heute reichte. Zu den Partnern gehörten Vereine und Verbände in Deutschland und dem Ausland, gelegentlich auch das Literaturarchiv Marbach oder die deutsche Nationalbibliothek mit dem Exil-Archiv, wo jetzt Herr Neumann sein Plagiat installieren möchte: Elfenbeintürme der Wissenschaft.

Déjà-vu ?

Wie abgeschrieben aus den Veröffentlichungen der Lasker-Schüler-Initiativen liest sich die Pressemitteilung des Neumann-Ministeriums: „Das Thema ´Künste im Exil´ ist gerade in Deutschland mit seiner doppelten Diktaturvergangenheit von großer gesellschaftlicher Bedeutung. Tausende Schriftsteller sowie Künstler aus den Bereichen Theater, Film, Fotografie, Tanz, Musik und Bildende Kunst mussten Deutschland nach der nationalsozialistischen Machtübernahme verlassen. Die NS-Terrorherrschaft und die nachfolgende kommunistische Diktatur im Osten Deutschlands gehören zur Geschichte und Identität unseres Landes."

„Das geplante Netzwerk führt die Erinnerungen an die Vertreibungsschicksale speziell von Künstlern und Künstlerinnen zusammen und bringt sie ins Bewusstsein der Gesellschaft", betonte der Staatsminister weiter. „Das Wissen um die Schicksale der zwischen 1933 und 1945 vertriebenen Künstler soll sich mit Berichten über spätere Exile und Emigrationsbewegungen aus der ehemaligen DDR und Osteuropa verbinden. Dieses Verständnis sensibilisiert für die Situation heutiger Exilanten."

Tauben Ohren haben die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft und der "Exil-PEN" mit solchen fast gleichlautenden Sätzen gepredigt. Jetzt will der Staatsminister aufnehmen, was seit Jahren auf den Internetseiten der ELS-Gesellschaft und ihres Exil-Zentrums zu finden ist. Dabei versteckt er sich hinter der Formulierung, dass „das nach dem 2. Weltkrieg eingerichtete ‚Deutsche Exilarchiv' der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit weiteren Partnern, insbesondere dem Deutschen Literaturarchiv Marbach, eine Internet-Plattform aufbauen" wird.

Wie viele deutsche Jugendliche, wie viele mit Migrationshintergrund kennen diese Einrichtungen? Aber weil sie mit Bundesmitteln ausgestattet sind, sollen die Gelder weiterhin dorthin fließen und nicht an das Original in der "Provinz". Wie sagt doch ein altes Sprichwort: "Wo ein Haufen liegt, da driet der Teufel immer wieder hin."

Virtuelles und reales Geld

Es hat ein Geschmäckle, wenn Bernd Neumann generös verspricht: Die an „unterschiedlichen Orten und Ausstellungen, etwa im Lübecker Buddenbrookhaus oder im Solinger Kunstmuseum, stattfindende Auseinandersetzung mit dem Thema (zu) bündeln und einem breiten Publikum (zu) öffnen. Geplant ist, im Sommer 2013 die erste virtuelle Ausstellung "Künste im Exil" freizuschalten. Die Fertigstellung sämtlicher Module ist für das Jahresende 2014 vorgesehen. Die Einrichtung des virtuellen Museums wird aus dem Haushalt des Kulturstaatsministers mit 745.000 Euro gefördert." Das Zentrum für Verfolgte Künste und sein Internet-Pendant erhalten vom Bund Nullkommanull Euro. (PK)

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