Besuch im Hochsicherheitsgefängnis

Doğan Akhanlı. besuchte am 6.Februar d.J. seinen im Hochsicherheitsgefängnis in Kocaeli inhaftierten Verleger Ragip Zarakolu - der wiederum hatte sich öffentlich für die Freilassung von Doğan Akhanlı und Suzan Zengin (Übersetzerin des Buchs "Verfolg, Vertreibung und Vernichtung der Christen im Osmanischen Reich 1912-1922) eingesetzt hat.

Ein Besuch zu Ragip Zarakolu, der im Haft ist

Dogan Akhanli

 

Ich war am 6. Februar 2012 auf einem Besuch im Hochsicherheitsgefängnis in Kocaeli, in der Nähe von Istanbul. Durch meine Anwältin, die auch Zarakolu vertritt, stellte ich einen Antrag für eine Besucherlaubnis beim Justizministerium in Ankara. In Istanbul erfuhr ich, dass meinen Antrag genehmigt wurde.

 

Ragip Zarakolu ist nicht nur ein Verleger, der vor 14 Jahren gewagt hat, meine Trilogie, „die verschwundenen Meere“, dessen letzten Buch, den Genozid an den Armeniern thematisierte, zu veröffentlichen, sondern auch, ein kompromissloser Menschenrechtler. Er war der Erste, der seine Stimme gegen meine Festnahme am 10. August 2011 im Istanbul erhoben hat.

Der Titel, der auf seinen Kolumnen der Tageszeitung veröffentlicht wurde, war „ Freiheit für Dogan Akhanli und Suzan Zengin“

Suzan Zengin, eine seiner Übersetzerinnen, die im Gefängnis das Buch von Tessa Hofmann (Hrsg.), „Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Christen im Osmanischen Reich 1912-1922, übersetzte, verstarb nach ihrer Freilassung im Oktober 2011, als Ragip Zarakolu hier in Frankfurt auf Buchmesse war.

Er kehrte sofort zurück und wurde am 28. Oktober auf Basis des Anti-Terrorismus-Gesetzes festgenommen. Der Vorwurf lautete: “Mitgliedschaft einer bewaffneten Terrorgruppe, KCK (Union der Gemeinschaften Kurdistans)“

Sein Sohn, Deniz wurde schon am 4. Oktober 2011 aus demselben Grund verhaftet und ins Metris-Gegängis gesperrt, indem auch seine verstorbenen Mutter, Ayse Zarakolu, die Mitgründerin des Belge-Verlags, vor 30 Jahren saß.

Ich erfuhr von der Anwältin, Deniz sei zu dem Gefängnis verlegt worden, wo sein Vater sitzt und zwar in selben Raum.

Das Hochsicherheitsgefängnis, das ich besuchen will, ist von Istanbul ca. zwei Stunden Autofahrt entfernt. Ich fahre Vormittags mit der Anwältin, Sennur Baybuga, von Istanbul ab. Um alle Hindernisse zu vermeiden, will sie, bei der Staatsanwaltschaft vorbei gehen und nochmal eine Bewilligung zu dem Besuchserlaubnis zu bekommen, obwohl wir bereits eine schriftliche Bewilligung in der Hand hatten.

Die Stadt Kocaeli hat ein riesiges Justizgebäude. Ein Beamter verlangt von uns die Bewilligung, die wir letztendlich vom Justizministerium bekommen hatten. Wir sollten

ihm folgen. Eine halbe Stunde Später fand er immer noch keine zuständige Person, die uns weiterhelfen konnte. Plötzlich tauchten aus dem Nichts zwei Männer in Zivil auf, die mir komisch zu vorkamen. Irgendwie sind sie aufdringlich geworden, einer der beiden kam fast bedrohlich nahe. Ich fragte ihn, ob er etwas fragen möchte? Er sagte nichts. Ich ginge weiter und hörte wir sie beide miteinander reden. Der Eine fragte den anderen, „ Ist das der Mann?“. Sennur Baybuga reagiert daraufhin lauthals und teilte ihnen mit, sie wisse wer sie seien!

Die Männer sagten nichts, währenddessen informierte der ermüdete Beamte uns, der immer noch unsere Bewilligung in der Hand hatte, wir sollen zum Gefängnis fahren und wenn es ein Problem gäbe, sollten wir ihn anrufen.

 

Ohne weitere Probleme besuche ich dann Ragip Zarakolu. Zwischen uns befanden sich zwei dicke Fensterscheiben und Gitter. Der Besucherraum ist ziemlich dunkel. Das Gespräch verläuft durch den Telefonapparat. Mir fiel auf, dass ich mich das erste mal im Leben auf der anderen Seite des Besucherraums befinde.

Er ist fröhlich. Er sagte, er habe nie so viel Zeit mit seinem Sohn zusammenverbracht wie jetzt. Es gibt noch weitere Mithäftlinge im Raum. Ein kurdischer Akademiker. Beide lernen von ihm kurdisch.

Warum er verhaftet wurde, wollte ich von ihm wissen. Er glaubt, seine Verhaftung hat nicht direkt mit dem Vorwurf zu tun. Er meinte, seine Festnahme sei nicht durch die einige Imitative vom Staatsanwalt bzw. durch den Richter zu Stande gekommen, sondern der Befahl kommt von Ankara. Was ist Ankara wolle ich wissen. Er sagte, Irgendeine Machtclique, die gegen die Verhandlungen mit Kurden sind. Durch seine Verhaftung wolle man signalisieren, Solidarisierung mit dem Kurden und Erinnerungsarbeit gefährlich einzustufen und zu stoppen.

 

Zwei Tage vor meiner Abreise berichtete die türkische Presse, einige Sonderstaatsanwälte in Istanbul hatten Im Streit um die Rolle des türkischen Geheimdienstes MIT bei den Verhandlungen mit der kurdischen Rebellengruppe PKK die Festnahme von vier Geheimdienstlern angeordnet. Dies hat eine politische Krise ausgelöst. Wie die Presse meldete, lehnt die Regierung die Vernehmungen ab. Es soll innerhalb der kurdischen Bewegung hunderte Geheimagenten tätig sein und durch die Festnahmewelle sollen sie im Knast gelandet sein, obwohl sie ihre wahre Identität bei

der Vernehmung offen gelegt hatten. Sie sollen nun als Komplizen der kurdischen Bewegung angeklagt werden, so die Presse.

 

Ich dachte, ich habe wirklich Glück gehabt, als ich in Köln landete.

 

Doğan Akhanlı, 1957 in Şavşat, Provinz Artvin, geboren, ist türkischstämmiger deutscher Schriftsteller. Er lebt seit 1992 in Köln. In seinen Romanen und Interviews setzt sich Doğan Akhanlı für den wahrhaftigen Umgang mit historischer Gewalt und für die Unteilbarkeit der Menschenrechte ein. Schwerpunkte: Aufarbeitung von Völkermorden des 20. Jahrhunderts und interkultureller an Versöhnung orientierte Dialog. Er ist Mitarbeiter des gemeinnützigen Vereins "Recherche International" (bildungsorientierte Aufarbeitung genozidaler Gewalterfahrungen). Als er 2011 in der Türkei Die ELS-Gesellschaft hatte sich mit der Armin T. Wegner-Gesellschaft 2011 für die Freilassung von Doğan Akhanlı eingesetzt, als der unrechtmäßig in der Türkei inhaftiert war.

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